Streit um Neubau am Adenauerplatz
Berlin Nach langem Stillstand kommen die Pläne für einen Neubau am Adenauerplatz voran. Noch bis Freitag, 16. Juni, ist die Öffentlichkeit aufgerufen, im Rahmen eines Beteiligungsverfahrens ihre Stimme zum Bebauungsplan für die Errichtung von Büro- und Geschäftsgebäuden sowie von zwei Gebäuden mit 40 Wohnungen einzubringen. Die Stellungnahmen sollen in die Planungen einfließen. Auf dem Papier lesen sich die Pläne von Eike Becker_Architekten so: An der Wilmersdorfer Straße soll ein siebengeschossiges Wohnhaus mit einem Staffelgeschoss entstehen. An der Lewishamstraße ist ein fünfgeschossiges Wohnhaus geplant - ebenfalls mit Staffelgeschoss. Das heißt, dass die Front des oberen Geschosses nicht mit der Fassade abschließt, sondern augenscheinlich zurückspringt.
Den Abschluss nach Süden bildet ein sechs Stockwerke hohes Geschäfts- und Bürogebäude mit einem circa 43 Meter hohen Büroturm an der Ecke Lewishamstraße/Adenauerplatz. Insgesamt sollen 16.000 Quadratmeter gebaut werden, davon sind 3500 Quadratmeter für Wohnungen vorgesehen und 12.500 Quadratmeter für Büros und Gewerbe im Erdgeschoss. Im Erdgeschoss zum Adenauerplatz sind ein Café und ein Restaurant geplant. An der Wilmersdorfer Straße sind wieder ein Lebensmittelhändler und zwei kleinere Gewerbeflächen vorgesehen.
„Ich freue mich, dass wir nach jahrelangem Stillstand eine Entwicklung an diesem prominenten Ort unseres Bezirks anstoßen konnten, und hoffe, dass wir nun so schnell wie möglich zu einer städtebaulich und architektonisch attraktiven Bebauung kommen werden, die das Gesicht des Kurfürstendamms und Charlottenburgs prägen wird“, sagt Christoph Brzezinski (CDU) , neuer Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung.
Der Bebauungsplan sorgte allerdings auch für Kritik der Linken in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Charlottenburg-Wilmersdorf. Der Bezirk brauche kein zwölfgeschossiges Büroturm-Monster. Die Fraktion kündigte Widerstand gegen „eine weitere baupolitische Katastrophe in der City West“ an.
Keine Wohnungen mit Mietpreisbindung vorgesehen
Niklas Schenker, Mitglied des Abgeordnetenhauses für die Linke, konkretisiert: Dadurch, dass die laut Berliner Modell vorgegebene Wohnfläche unterschritten werde, sei der Investor nicht verpflichtet, einen Teil der Einheiten als Sozialwohnungen anzubieten. Der Wohnanteil sei vorsätzlich klein gehalten worden, um sich aus der Verpflichtung zu nehmen. „Es gibt aber keinen Bezirk in Berlin, der einen dringenderen Bedarf hat“, sagt Schenker. Seine Anfrage an den Senat offenbarte Anfang des Jahres, dass nur 66 öffentlich geförderte Sozialwohnungen seit 2014 in Charlottenburg-Wilmersdorf neu gebaut worden sind.
Laut einer aktuellen RBB-Recherche ist aber auch das Wohnungsangebot für die Mittelschicht in Berlin stark eingebrochen. So seien 2012 in Berlin noch etwa 75.000 Mietwohnungen für sogenannte mittlere Einkommen zur Neuvermietung angeboten worden, 2021 seien es hingegen nur noch rund 50.000 gewesen. Laut Architekturbüro Becker soll am Adenauerplatz ein „ausgewogener Mix“ von Zwei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen entstehen - zwischen 40 und 90 Quadratmeter groß und im mittleren Preissegment.
Unabhängig davon sei aber zu überdenken, ob Berlin wirklich neue Büroflächen brauche, sagt Schenker. „Viele Untersuchungen zum Bedarf wurden vor Corona durchgeführt. Der Bedarf dürfte in Zeiten von mobilem Arbeiten geringer werden. Was wir bauchen, sind bezahlbare Wohnungen.“ Studien zufolge zeigt sich der Berliner Büromarkt aber sehr stabil. Vor allem qualitativ hochwertige Flächen in zentralen Lagen stehen unter anderem laut den Immobilienberatern von Colliers bei den Firmen hoch im Kurs. Auch das Architekturbüro widerspricht. „Wir brauchen in Berlin für die wachsende Stadt Wohnungen. Aber auch Büroflächen, damit die Menschen, die hier wohnen, auch hier eine Arbeit finden. Da gibt es eine natürliche Konkurrenz“, sagt Architekt Eike Becker. Es sei entsprechend den veränderten Anforderungen geplant worden. „Nunmehr kommen die Menschen vorrangig ins Büro, um sich zu treffen und gemeinsam etwas voranzubringen. Konzentriertes Arbeiten alleine können heute viele auch an anderen Orten.“
Die Höhe des 43-Meter-Turmes sei nach Diskussionen mit Fraktionen und Institutionen des Bezirks und Senats auf die Höhe des gegenüberliegenden Panorama Hotels festgelegt worden. Zudem sei die Zahl der neu gebauten Wohnungen genauso hoch wie die, die es früher mal auf dem Grundstück gegeben habe.
Bezirksstadtrat Christoph Brzezinski betont, dass der Bebauungsplan Ergebnis einer engen Abstimmung zwischen dem Bauherrn und dem Bezirk sei - auch unter Einbeziehung des Baukollegiums. Der Entwurf des Büros sei für das Bezirksamt überzeugend.
„Im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben wollen und werden wir auch den Adenauerplatz als solchen neu ordnen und gestalten und ihn zu einem urbanen und klimarobusten Stadtplatz entwickeln“, so Brzezinski. Der Adenauerplatz hat eine verhältnismäßig junge Geschichte. Durch die in den 60er- und 70er-Jahren vorgenommene Verschwenkung des Nord-Süd-Verkehrs von der Wilmersdorfer Straße auf die neue Lewishamstraße entstand ein kleiner dreieckiger Platz, der 1973 nach dem ehemaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer benannt wurde. Die in dieser Zeit entstandenen Gebäude waren viele Jahre marode.
Nun soll der Platz wieder belebt und neu gestaltet werden. Eine Veränderung der Verkehrsführung werde ebenfalls in Betracht gezogen, heißt es im Bebauungsplan. Die Bäume sollen erhalten bleiben. Insgesamt soll der Platz also größer, belebter und grüner werden. Das Ziel des Architekturbüros sei es zudem, später 60 Prozent des Strombedarfs der Gebäude aus regenerativen Energiequellen vor Ort zu erzeugen. Das werde aller Voraussicht nach über Photovoltaik auf den Dächern, Geothermie aus der Erde und über Wärmetauscher geschehen, heißt es. Wärmerückgewinnung und andere Maßnahmen, wie eine smarte Steuerung, sollen für eine Reduzierung des Energieverbrauchs in den Wohnungen sorgen.
Kleine Gewächshäuser im Hof zum Spielen oder auf dem Dach zum Besprechen, bepflanzte Terrassen zum Sitzen im Grünen oder das Café im Erdgeschoss würden zudem den Arbeitsplatz der Büroangestellten erweitern. „Hier kann vieles gelingen“, sagt Architekt Eike Becker.